Am 14.01.2024 hatte ich die Ehre an meiner neuen Teeschule der Hatsugama, der ersten Teezeremonie des Jahres, beizuwohnen. Als Neuling, sowohl ein der Teewelt selbst, als auch als neues Mitglied der Schule eine große Ehre.
Im ersten Bild seht ihr unten rechts meinen Lehrer hocken. Er war derjenige, der die Zeremonien, Usucha und Koicha durchführte. Er ist Oberpriester des Eishunji-Tempels, ein Buddhistischer Tempel im Südosten Kyotos, und heißt Akihiro Yonezawa. Neben seinem Beruf als Priester ist er Mitglied der Urasenke Shikukai, Präsident des Sashishin-an Cultural Classroom und Dozent der Tankosha Cultural Division Tea Ceremony. Er hat mehrere Bücher zum Thema Teezeremonie geschrieben und ist in der Welt des Tees ein weit bekanntes Gesicht.
Ihr könnt euch also denken, das es eine Ehre für mich ist unter seiner Anleitung oder der seiner Frau, welche ebenfalls Unterricht gibt, zu lernen.
Was ist Hatsugama (初釜)
Der Begriff Hatsugama setzt sich aus den Kanji-Zeichen Hatsu-初 für "erstes/neues" und Kama-釜 "Kessel" zusammen, was im Grunde den ersten Tee-Kessel des Jahres bedeutet und somit den Start für die erste Tasse Tee gibt.
Die genaue Ausgestaltung dieser Zeremonie kann je nach Schule variieren, findet aber in der Regel um den 10. Januar statt. An diesem Tag kleiden sich alle Teilnehmer festlich und tragen ihre schönsten Kimonos. Die Muster der Kimonos sind dabei dezent gehalten, um die Aufmerksamkeit nicht vom Tee abzulenken.
Da Hatsugama ein festliches Zusammentreffen ist, sind überall Neujahrsmotive zu entdecken: in den Blumen, den Bildrollen, den Teeutensilien und den Süßigkeiten. Dies ist außerdem der perfekte Moment für den Gastgeber, die besten Utensilien vorzuzeigen, etwa die kostbarste Teeschale oder exquisite Teebesen.
In unserem Fall wurde ein sogenannter Ao-Chasen vorgeführt. Ein Teebesen, welcher aus frischem Bambusholz, welches noch grün ist, gefertigt wurde. Normalerweise wird der Bambus getrocknet und hat ein dunkel- bis hellbraunes Erscheinungsbild.
Um das Gesamterlebnis der Teezeremonie zu unterstreichen, können die Neujahrsmotive Tiere wie Kraniche und Schildkröten sowie das Tier des Jahres im chinesischen Tierkreis (dieses Jahr des Drachen) umfassen, ebenso wie Bäume, insbesondere Kiefern. Der Kranich wird mit 1.000 Jahren assoziiert, die Schildkröte gar mit 10.000 Jahren! Obwohl diese Zahlen nicht wörtlich zu nehmen sind, sind diese Tiere aufgrund ihrer Langlebigkeit Symbole für ein langes und glückliches Leben.
Kiefern sind immergrüne Bäume, die das ganze Jahr über grün bleiben und daher mit dem ewigen Leben verbunden werden. Zusätzlich können Kiefern tatsächlich auch 1.000 Jahre alt werden und gelten somit als Symbol für Langlebigkeit und Unsterblichkeit.
Hatsugama wird üblicherweise als komplette Teezeremonie – Chaji (茶事) – zelebriert. Die Gäste dürfen sich dabei auf einen leichten Kaiseki-Gang freuen, der Sake beinhaltet, der aus einem speziellen Gefäß eingeschenkt wird, das eigens für diese Jahreszeit hergestellt und dekoriert wurde. Anschließend werden sowohl starker Tee – Koicha als auch leichter Tee – Usucha serviert.
Traditionell wird für diese Zeremonie Wakamizu verwendet – Wasser, das sehr früh am Morgen aus einem Brunnen gezogen wird. Es wird geglaubt, dass dieses Wasser, welches für die erste Teetasse des Jahres verwendet wird, vor Krankheiten schützt und dazu beiträgt, das Böse abzuwehren.
(Quelle: http://tinyurl.com/yl5kd2qq)
Ablauf im Eishunji-Tempel
Machiai
Da die Teezeremonie selbst im Tempel meines Lehrers stattfindet, ist der Raum für buddhistische Zeremonien, der den Hauptschrein beherbergt, das Wartezimmer, in welchem sich die Gäste versammeln. Hier wurde sich einander vorgestellt und die in unserer Gruppe, die sich schon kannten, plauderten ganz entspannt. Für mich war es eine gute Gelegenheit mich umzuschauen und mit den anderen Gästen ins Gespräch zu kommen.
Kaiseki - traditionelles Neujahrsessen
Danach ging es in den Hauptraum, welcher normalerweise für den Teezeremonie-Unterricht genutzt wird. Es waren in einem U kleine Tische und Stühle aufgestellt, an welchen wir Platznamen. In Japan spielt die „Rangreihenfolge“ noch immer eine große Rolle. Das heißt, die ranghöchste Person sitzt am weitesten vom Eingang entfernt und nah am Tokonoma. Dem Platz, an welchem die Schriftrolle aufgehängt wird und welcher als „Platz der Götter“ gilt.
Danach wird sich Reihenfolge absteigend gegen den Uhrzeigersinn hingesetzt. Da ich als Neuling die niedrigste Position innehatte, saß ich links vom Ranghöchsten, mit Rücken zum Fenster. Es war sehr interessant, das, was ich im Hotel, genauer im Restaurant gelernt hatte, in der Praxis angewendet zu sehen und zu erleben.
Nachdem wir uns alle gesetzt hatten, kam der Gastgeber, mein Teezeremonie-Lehrer, und begrüßte uns. Nach einer kurzen Erklärung, wie alles Weitere ablaufen würde, wurde uns das Essen gebracht. Traditionelle Neujahrshäppchen, Tofu, Fisch, frisches Gemüse, Reis und natürlich Sake. Der Sake wurde auf dünne rot lackierten Teller/Schalen gegossen, welche als Trinkgefäß dienten.
Koicha - dickflüssiger Tee
Nachdem wir aufgegessen hatten und der Sake auf alle Teilnehmenden verteilt war, ging es durch den Garten, mit Zwischenstopp für ein Foto, in das erste Teezimmer. Wir krochen durch das sogenannte „Nijiriguchi“, einen kleinen Eingang, welcher in das Teehaus selbst führt. Danach wurde wieder der Rangfolge nach Platz genommen, mit der ranghöchsten Person am nächsten am Gastgeber. Nun wurde von meinem Lehrer der Koicha, der dickflüssige Tee, für den ranghöchsten Gast zubereitet, während die anderen Gäste Tee zubereitet von den Assistenten erhielten.
Ususcha - dünnflüssiger Tee
Nachdem wir in traditioneller Reihenfolge und Manier die Süßigkeiten gegessen, den Tee getrunken und etwas geplaudert hatten, ging es weiter in den nächsten Raum zur Usucha Zeremonie, bei welcher der dünnflüssigere Tee serviert wird. Hier gab es Higashi, japanisches Trockenkonfekt, in den schönsten Formen und Farben. Nachdem auch diese Zeremonie beendet war, plauderten wir noch etwas mit unserem Gastgeber und dann ging es wieder zurück in den Warteraum, in dem alles begonnen hatte. Hier hatte ich jetzt noch die Chance Visitenkarten auszutauschen und ein bisschen mit den anderen Gästen zu plaudern, bevor es für mich wieder nach Hause ging.
Kaeri - Verabschiedung
Dieser Tag war nicht nur ein einmaliges Erlebnis, sondern auch ein tiefer Einblick in die alte, japanische Hierarchiegesellschaft. Es schwang in jeder Bewegung, in jedem Wort, in jeder Handlung ein Stück altes, Samurai-Zeitalter-Japan mit. Ich bin von Herzen dankbar für diese Erfahrung und freue mich, nicht nur Fortschritte in der Teezeremonie selbst zu machen, sondern mit jeder Unterrichtsstunde einen Schritt tiefer in Japans Geschichte einzutauchen.
Für mich war dieses Erlebnis nicht nur etwas Neues, sondern auch eine Aufnahme in eine neue Welt hier in Kyoto. Seit dem gehe ich einmal pro Woche, immer mittwochs zum Teezeremonie-Unterricht. Kleine, kleine Schritte, jedoch immer wieder eine Reise zum Selbst und zur inneren Ruhe.
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